Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde. Und Hunde (4. Oktober 2017)

Es geht mir etwas besser. Abgesehen von den Magenkrämpfen. Aber wenigstens bin ich sicher, dass ich nicht alle paar Minuten aufs Klo muss.

Es scheint ein schöner Tag zu werden. Zwar liegt noch Nebel über dem Land, aber man kann dahinter schon die Sonne vermuten.

Nach dem Frühstück, bei dem ich mich sehr zurückhalte und eigentlich nur trocken Brot esse, warten wir draußen auf die Hirten.

Mit etwas über 500 Schafen starten wir. Wir laufen im Prinzip den gestrigen Weg zurück, nur auf der anderen Seite des Flusses. Die Kühe und Pferde, die uns in getrennten Herden folgen, nehmen die andere Flussseite, den weiteren Weg. Aber die sind auch schneller. Und nicht solche Kletterkünstler wie die Schafe und Ziegen. Und wir.

Die Zeigen sollen eigentlich das Tempo vorgeben, aber sie erweisen sich als ziemliche Clowns.

Das Tempo ist gemächlich. Schafe sind eben nicht so schnell.

Bei Parsma gibt es –  für uns- eine Pause. Die zweite Herde stößt zu uns. Aber erst müssen die Schafe und Ziegen gezählt werden. In 20er Schritten.

Fasziniert schauen wir zu.

Es geht nun weiter Richtung Dartlo. 1600 Schafe, Ziegen, Esel, im Schlepptau Kühe und Pferde. Wir Touris laufen mit den Schafen. Die Esel tragen das Gepäck der Hirten. Und die Welpen. Deshalb ist es ratsam, sich denen nicht zu nähern. Denn wenn die Mutter das mitkriegt.

Überhaupt die Hunde. Inzwischen riechen auch wir nach Herde, so dass wir akzeptiert werden. Die Hunde werden jeden morgen kommen, schnüffeln, uns erkennen und am Leben lassen. Nur die Mutterhündin ist leicht aggressiv.

Das Wetter wird besser. Zwar bleibt es kalt, aber die Sonne kommt raus.

Ich bin froh, wenn es auf einigermaßen ebenen Wegen voran geht, denn ich habe doch recht wacklige Knie und fühle mich schlapp. Schließlich ernähre ich mich jetzt schon ein paar Stunden nur von trocken Brot.

Die Landschaft ist atemberaubend schön. Das Laufen mit den Schafen hat etwas meditatives.

Manchmal können wir Menschen Brückenreste nutzen, manchmal müssen wir wie die Schafe durchs Wasser, manchmal können auch die Tiere die Brücke nutzen.

Der Esel verliert zwei Welpen, die Tiko und die Freundin nun unter den Jacken durch den Kaukasus tragen. Seltsamerweise stört das die Hündin nicht.

Irgendwo kommt uns eine fremde Herde zu nah und die Ziegen büchsen aus. Unsere Hirten sind stinksauer und müssen jedes einzelne Tier fangen und zurückbringen. Für Schafe und Touris eine willkommene Pause, in der uns die Rinder- und Pferdeherde überholen.

Wir laufen an Tschescho vorbei und erreichen Dartlo. Dort gibt es viele Wehrtürme zu sehen, es gibt ein Café und überhaupt wird gewerkelt und restauriert, was das Zeug hält.

Tiko zeigt uns einen alten Richtplatz der Tuschen, den dürfen sogar wir Frauen betreten. Hier kamen die Ältesten der tuschetischen Clans zusammen, um Recht zu sprechen und Streitigkeiten zu schlichten. Es scheinen 12 gewesen zu sein. 12 Älteste.

Es gibt hier die Ruine einer orthodoxen Kirche, etwas außerhalb des Ortes Schreine, und einer der Wehrtürme ist 6-stöckig. Der georgische Staat leistet finanzielle Unterstützung bei der Restaurirung nicht nur der Türme, sondern auch der Wohnhäuser.

Als es später steil hinauf geht, steige ich zu Lewan in den Jeep. Ich fühle mich immer noch nicht wirklich fit.

Aber das ist eigentlich auch blöd. Lewan spricht nur georgisch. Und wir folgen der Herde, d.h., wir stehen irgendwo 30 min rum, fahren zum Ende der Herde, stehen wieder rum…

Kurz bevor wir die Schneegrenze erreichen, steige ich wieder aus.

Es wird dunkel, als wir „oben“ sind. Die Hirten schlafen hier ( im Freien).  Wir müssen noch ein Stück laufen, Aber ich steige mit Tiko, Steffi und Amalia wieder zu Lewan und fahre ins „Hotel“.

Das ist gut so, denn die Wirtsleute, die längst ins Tal umgezogen sind, können ihr Haus wegen der gesperrten Passstraße nicht erreichen. So bereiten wir vier das Abendbrot vor.

Zwei ältere Herren aus der „Nachbarschaft“, ich glaube die Nachbarn  wohnen ein paar Kilometer entfernt, haben schon den Ofen angeheizt. Aber da diese Häuser nur im Sommer bewohnt werden, ist die eine Seite des „Gastraums“ offen. Die Häuser selbst sind eh nicht beheizt.  Es gibt eine Ofen zum Kochen. Wir rücken so nah wie möglich heran. Einer der Herren ist pensionierter Tierarzt. Seit er beschlossen hat, in seinem Dorf zu überwintern, ist das der höchste ganzjährig bewohnte Ort Europas. Ich habe den Namen des Dorfes vergessen, aber es könnte Bochorma sein.

Der alte Herr ist ein hervorragender Tamada und regt auch uns an, Trinksprüche zu kreieren bzw zu erweitern. Ich habe mir die Flasche mit gekochtem Wasser gefüllt (ich trinke hier nur noch abgekochtes Wasser und esse kein Gemüse, weil das ja mit Wasser gewaschen wurde. Außerdem dient die Flasche später als Wärmflasche im Schlafsack) und fülle damit heimlich mein Tschatscha –Glas.  Es ist ein fröhlicher Abend mit einem wirklich außergewöhnlichen Menschen und wie die eine Schweizerin sagt, so ist es in Tuschetien zwar viel zu kalt für uns Mitteleuropäer und es gibt aucch viel zu viel Alkohol für unsere mitteleuropäischen Mägen, aber die Wärme, die uns aus den Herzen der Tuschen  entgegengebracht wird, macht alles wieder gut.

Gaumachos!

Wenn man aufs erste Bild links klickt, werden die Fotos in Reihenfolge des Geschehens angezeigt

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10 Antworten zu Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde. Und Hunde (4. Oktober 2017)

  1. freiedenkerin schreibt:

    Abenteuerlich, faszinierend, bizarr, und wunderschön! Es wirkt manchmal so, als wärest du auf einem anderen Planeten gewesen…

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  2. Zaphod schreibt:

    Die Ziege sieht nicht so aus als hätte sie Bock 😀
    Ansonsten:
    Großes Wow! Hammer Landschaft und tolle Aufnahmen, wieder einmal. Was zu erwarten war, es gibt wenige Dinge im Internet auf die ich mich so freue wie auf Deine Reiseberichte, jedes Mal Abenteuer pur (die Magen/Darm Geschichte hätt’s jetzt dramaturgisch nicht unbedingt gebraucht *g*).
    Ich stelle mir gerade ein Gespräch unter Nachbarn vor.
    „Wir fahren dieses Jahr wieder 14 Tage nach Cala del Sangria in unser Lieblingshotel und was machen Sie so?“
    „Ach, ich geh mit Schafen wandern in Tuschetien.“
    Bei 99% klappt da die Kinnlade (schon weil die meisten nicht einmal wissen wo Tuschetien liegt und ja, ich hab auch geguckt bei Google Maps)

    Ich freu mich auf die Fortsetzung 🙂

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    • Inch schreibt:

      Ja, ich musste den meisten sagen: Georgien. Kaukasus. Denn bei Georgien denkt der gemeine Ossi eher an Batumi am Meer. An Wein und Sonne. Nuja, Wein gabs auch in Tuschetien. Sonne auch. UNd später, also als wir Tuschetien verlassen hatten, sogar noch einen schönen Spätsommer

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  3. Dirgis (Sigrid) schreibt:

    Ein Wort: Faszinierend!

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  4. Herr Ärmel schreibt:

    Ich schliesse mich Zaphods Anmerkungen komplett an.
    Deine Reiseberichte sind klasse!
    Und die Fotos.. hach…

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