Erledigungen (9. Oktober 2017)

Uns wurde gesagt, Zugtickets müsse man im Vorfeld kaufen, also machen wir uns nach dem Frühstück auf zum Bahnhof.

Das Frühstück fällt ähnlich aus wie gestern, obwohl unsere georgische Medizin fast augenblicklich wirkt. Trotzdem, sicher ist sicher.

Auf dem Weg zum Bahnhof kehren wir schon mal ins Büro eines Anbieters für Tagesausflüge ein. Die Freundin hatte ja noch in Deutschland eine Radtour gebucht.  Die hat der deutsche Veranstalter, nachdem sich die Preise ständig erhöht hatten, schließlich abgesagt, weil der Guide angeblich noch, ich weiß nicht wo sei und uns dafür einen ziemlich teuren Tagesausflug angeboten.  Aber den können wir hier billiger haben. Die Anbieter stehen überall am Maidan , das haben wir schon vor einer Woche gesehen.

Hier, in der extra für Touristen sanierten  Davit- Aghmashnebeli- Avenue vielleicht nicht die beste Idee, denn hier übertreffen die Anbieter mit ihren Preisvorstellungen sogar noch die des deutschen Veranstalters. Nee Freundin, lass uns mal am Maidan gucken.  Später.

Die Avenue besteht übrigens nicht nur aus Fußgängerzone, ist sie doch 3 km lang. Sie entstand im 19. Jahrhundert. Hier mischen sich russischer Klassizismus, spätes Empire und Jugendstil, in denen je nach Geschmack die damaligen Bauherren Banken, Kontore, Börsen, Geschäfte errichten ließen. Hier war das Bürgertum zu Hause. Die legten weniger Wert auf Traditionen als auf die entsprechende Mode. Weil sich aber dazwischen die Georgier mit ihren Balustraden und Balkonen einrichteten, entstand eine spannende Mischung. Und wenn man einen der Hinterhöfe betritt, und hier hat jedes Haus einen Hinterhof, ist sowieso alles georgisch.

Den Bahnhof zu finden ist etwas mühselig. Also hin finden wir schon, aber dann stehen wir vor einem Einkaufszentrum, auf einem Parkplatz für Marschrutkas, und dazwischen bieten allerhand Händler billigen Kram feil. So Second Hand Klamotten aus dem Westen und Plastikschrott aus China.

Gut, hätten wir unsere Reiseführer etwas genauer gelesen, wäre uns einige Mühe erspart geblieben. Der Bahnhof befindet sich im 2. Stock eines Einkaufszentrums. Hätten wir als Leipziger erahnen müssen, ist unser Bahnhof doch auch nur noch ein Einkaufszentrum mit Gleisanschluss. Nur sieht unserer von außen wie ein Bahnhof aus, der in Tbilissi tatsächlich wie ein Einkaufszentrum.

Zugtickets zu kaufen ist auch nicht so einfach. An einem Schalter heißt es, es gäbe nur eine Elektritschka nach Gori, die zudem nur zwei Mal am Tag fährt. Nun wäre das sicher spannend, aber früh 6:00 Uhr?

Nee.

Wir können das nicht glauben, fragen noch an mehreren anderen Schaltern, bis wir schließlich jemanden finden, die uns Fahrkarten für den ZUG nach Gori verkauft, Mittwoch 8:30 Uhr, 1. Klasse.

Weiter geht es zurück ins jüdische Viertel. Da muss das Büro von Kaukasus- Reisen sein. Die Schweizerinnen haben uns gebeten, dort ein Geschenk für Lewan abzugeben.

Auch das Büro zu finden, ist ziemlich schwierig. Erstens ist das Viertel doch sehr verwinkelt, zweitens helfen rein georgisch geschriebene Straßennamen nun nicht gerade bei der Suche. So kommen wir aber mit vielen Leuten in Kontakt, kriechen in vielen Ecken rum und die Freundin darf sogar in einer Bäckerei fotografieren. In diesen Bäckereien wird ausschließlich Brot gebacken. Auf eine sehr traditionelle Weise. Sehr mühselig. Und reich wird man davon auch nicht.

Was mich an dem Viertel fasziniert, ist das Grün. Das ist nicht automatisch da. Das schaffen sich die Bewohner selbst. So wirkt mancher Straßenzug doch freundlicher. Und bewohnt.

Wer eine Postkarte bei mir bestellt hat, hat evtl. eine von Kaukasus- Reisen bekommen, denn die sind die einzigen, wo wir welche von Tuschetien kaufen können. Steffi gibt uns noch ein paar wertvolle Tipps, besonders hinsichtlich der Taxipreise.

Dann laufen wir endlich zum Maidan und „buchen“ beim ersten Guide, der auf der Straße steht, den Ausflug nach David Garetscha.  Also, wir haben nichts schriftlich. Er auch nicht. Aber er holt uns morgen 10:00 Uhr ab. Ich bin gespannt.

Da uns die Kankali nicht so schmecken, dass wir sie unbedingt und überall essen müssen, gehen wir wieder in unser „Stammlokal“ am Maidan und essen Pelmeni. Hier waren wir während des Urlaubs tatsächlich einige Male.

Und dann gehts endlich zur Festung hoch, die aber keinen Besuch wert ist.  Narikala, so heißt sie, wurde im 4. Jahrhundert von den Persern errichtet.  Bis zur Erfindung des Schießpulvers war sie praktisch uneinnehmbar. Wachtang Gorgassali und sein Sohn Datschi erweiterten den Bau. Zur Oberburg kamen  eine Unterburg und Stadtmauern.  Als Aga Mohammad Khan Tbilissi praktisch dem Erdboden gleich machte, verschonte er die Festung, die zwar schwer, aber nicht mehr uneinnehmbar war. Und doch war es dann das Schießpulver, das Narikalas Schicksal werden sollten. Die Russen nutzten die Zitadelle nämlich als Pulverkammer und als ihnen 1827 ihr Pulver um die Ohren flog, war das das Ende der Festung.

Wir haben keine Lust auf Ruinen und schlendern an zahlreichen Bettlern vorbei zur Mutter Georgiens. Die ist gar nicht so leicht zu fotografieren, da sie uns ihr Hinterteil präsentiert. Dafür kann man von hier aus mit dem Tele endlich mal Wachtang auf der anderen Seite des Flusses ins Gesicht schauen.

Wir würden gern mit diesen Dingern über den Botanischen Garten schweben. Also ich bin mir nicht wirklich sicher. Aber die Freundin will. Aber wir würden auch gern Seilbahn fahren. Mit diesen Dingern auf einer Art Flying Fox de luxe über den botanischen Garten zu schweben oder rasen, würde bedeuten, wieder hoch zur Festung laufen zu müssen. Dazu hat keine Lust. Lieber Aussicht genießen bei Latte Macchiato auf einer Terrasse, viele Fotos machen und dann mit der Seilbahn runter in die Stadt.

Und abends sitzen wir wieder in der Nähe des Hostels und schauen dem Treiben auf der Straße zu. Schlafen ist eh unmöglich. Bis nach Mitternacht hämmert jemand auf einem Klavier rum.

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4 Antworten zu Erledigungen (9. Oktober 2017)

  1. freiedenkerin schreibt:

    Ich habe beim Lesen und Schauen und Staunen grad die nicht grade Vertrauen erweckenden Bauten z. B. des jüdischen Viertels mit „meiner“ Stadt vor dem großen Wohnzimmerfenster verglichen. Und da ist mir wieder einmal ganz kräftig bewusst geworden, in welchem Wohlstand wir hier eigentlich leben…

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    • Inch schreibt:

      Ja das stimmt. Reisen in Länder wie Georgien helfen, sich wieder zu erden. Einerseits sieht man mal wieder, wie gut es uns geht, andrerseits sieht man aber auch, wie schwer wir uns tun

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  2. Zaphod schreibt:

    So selbst auferlegte Interneteinschränkungen schränken zu sehr ein merke ich gerade, da hab ich viel nachzuholen. Aber immerhin etwas auf das man sich freuen kann, ist mal wieder alles hochinteressant.
    Das Hotel, das man von der Festung aus sehen kann, macht einen sehr tauglichen Eindruck, war das Eures? Schöne Dachterrasse jedenfalls, mit Café :).
    Ziemlich gewagt finde ich ja die Bebauung an der steilen Kante zum Fluss runter. Sandstein wird das aber hoffentlich nicht sein.

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    • Inch schreibt:

      Nee, zu dieser Zeit wohnten wir schon in Hostels, wo man viel mehr Kontakt zur Bevölkerung und anderen Reisenden hat. In einem „guten“ Hotel wohnten wir in den ersten zwei Nächten in Tbilissi, die waren im Viehtriebpreis enthalten. Und natürlich zur Abschlussfeier nach dem Viehtrieb.
      Und was die Bebauungen am Flussufer betrifft: Das hoffe ich mal auch, dass das kein Sandstein war. Jedenfalls nicht so extrem weicher wie auf dem Weg nach Uplisziche

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