Salz Wasser Glauben. Und Brot (10. Oktober 2017)

An der Aserbaidschanischen Grenze, im Südosten Kachetiens,  liegt Dawit Garetscha, der östlichste Vorposten des historischen Christentums.

Um dahin zu gelangen, muss man ein Steppe durchqueren. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. Einen Leihwagen haben wir nicht, also bleibt nur Buba, der Fremdenführer, den wir gestern gebucht haben.

Beim Frühstück im Hostel (Bananen und irgendwas verpacktes), bemerkt eine Gästin aus Asien meinen Flyer vom Casa Muntean in der Maramures. Da war ich vor ein paar Jahren. Und das Reisetagebuch ist damals ja nicht voll geworden, so dass ich es auch für diesen Urlaub nutzen kann. Die junge Frau war letztes Jahr da. Die Welt ist ein Dorf. Jedenfalls wenn man in Hostels übernachtet oder anderen einfachen Unterkünften.  Wir reden ein bisschen über die Munteans und die Maramures.

Meine Freunde aus Moldawien sind heute etwas indisponiert. Nur die Toilette interessiert sie, wenn sie verstehen, was ich meine und ich bin irgendwie beruhigt, dass es nicht nur verweichlichte Mitteleuropäer erwischt. Natürlich tun sie mir leid. Genau wie das junge Mädchen, dass mich gestern fast umgerannt hätte, als ich die Keramik verließ.

In Tbilissi regnet es. Das ist nun nicht das ideale Ausflugswetter. Aber wir haben gebucht. Wenn wir auch unsicher sind, ob Buba kommt.

Er kommt.

Nur leider ohne Fahrer. Er muss einen neuen besorgen. Der kennt unseren Treffpunkt nicht, weiß nicht  wo das ist und wir laufen wieder Richtung Metrostation Marjanischwili. Dort ist ein Mc Doof und unser Fremdenführer lädt uns zu einem Kaffee ein. Bei Mc Doof! Warum glauben Einheimische so oft, dass uns gerade dort der Kaffee am besten schmecken würde? Weil er da am teuersten ist? Jedenfalls in vermeintlich ärmeren Ländern?

Wie dem auch sei, wir sind gute Gäste und nehmen die Einladung an.

Buba spricht Deutsch, weil er aber lange nicht in Deutschland war, wechselt er ins Englische.  Und dann kommt Nika, der Fahrer. Im Mercedes! Für zahlende Gäste nur das beste. Der Ausflug kostet uns pro Person 11 oder 14 €, ich habe es vergessen, weil es wirklich preiswert war.

Über diverse Nebenstraßen, so scheint es, versucht Nika dem nie endenden Stau in der Hauptstadt auszuweichen. Als wir diese verlassen, hört es auf zu regnen.

Anfangs fahren wir noch auf Straßen, dann geht es im äußersten Kachetien über recht holprige Feldwege. Ich bin mir nicht sicher, ob das dem Mercedes gut tut. Aber noch sind wir auf der Straße. Das Land ist flach bis leicht hügelig und von einer außergewöhnlich schönen Kargheit. Ich liebe solche Gegenden fast mehr als blühende Landschaften. Und da ist der Salzsee. Nein zwei. Hier sollte doch die Radtour, die abgesagte, hinführen? Ob wir halten können? Klar können wir.

An Udabno fahren wir nur vorbei bzw durch. Es gibt zwei Orte dieses Namens, der übersetzt  „unbewohnbares Land“ bedeutet . In Neu- Udabno leben oder lebten Swanen, die im Winter 1987 ihr Dach überm Kopf verloren und sich hier eine neue Existenz aufbauten. Wenn ich das richtig verstanden habe, ziehen sie inzwischen aber wieder weg. 1987, da gehörte Georgien noch zur UdSSR, das Dorf ist im Prinzip eine Kolchose. In Kolchosen wollen heute auch keine Swanen mehr leben.

Bis zum 16. Jahrhundert soll das Land übrigens bewaldet gewesen sein, was angesichts der Kargheit kaum vorstellbar  scheint. Die Türken ließen alles abholzen. Zur besseren Kontrolle der eroberten georgischen Fürstentümer.

Es geht weiter auf staubigen Feldwegen durch diese einzigartige  in verschiedenen Rot-, Gelb- und Brauntönen gezeichnete Landschaft. Manchmal, an Kreuzungen, ragen blaue Straßenschilder wie Fremdkörper in den Himmel. In der Ferne strotzt ein Militärkomplex  wie eine Trutzburg.

Ach ja, wir nähern uns der Grenze.

Dawit Garetscha  ist ein Komplex von 13 Höhlenklöstern, von  denen sich eines heute auf aserbaidschanischem Boden befindet.  Wir besichtigen die Kloster Lavra, der Weg nach Udabno liegt teilweise auf aserbaidschanischem Gebiet, soll aber begehbar sein, wobei davor gewarnt wird, das andere Land zu betreten, was wohl unweigerlich zur Verhaftung und kostspieligen Deportation führen würde. Das muss nicht sein. Vielleicht haben wir aber auch Teile von Udabno gesehen, denn wir sind einen Pfad hinauf geklettert und haben in Höhlen geschaut. Wer weiß das schon. Jedenfalls  das sind die zwei, die auch mit dem Auto erreichbar sind. Zu einem 3. müsste man 12 km laufen, wozu uns die Zeit fehlt und auch der richtige Führer bzw. eine richtige Karte, von den anderen sollen nur noch Ruinen übrig sein.

Die Gründung des Komplexes geht auf einen der 13 syrischen Väter, die im 6. Jahrhundert nach Georgien kamen, um von Christus zu sprechen, zurück. Es wird übrigens vermutet, dass diese 13 syrischen Väter Georgier waren, die u.a. in Syrien die Kunst des Höhlenbaus erlernten, aber das nur nebenbei. Dawit wählte sich ursprünglich Tbilissi als Wirkungsort, wohnte in einer Höhle im Berg Mamadawiti-Mtatsminda und kam einmal pro Woche in die Stadt, den Bewohnern das Wort Jesu zu verkünden. Die damals den Volksglauben beherrschenden zoroasthritischen Prediger beschuldigten ihn, eine Ehefrau geschwängert zu haben, aber Dawit bewirkte ein Wunder, was die Menge zwar überzeugte und  begeisterte, aber der Syrer war eingeschnappt und verzog sich in die Gareja- Hügel, wo er erneut eine natürliche Höhle bezog. Die Anhänger, die ihm folgten, gruben sich ringsherum auch Höhlen in den Sandstein und es entstand Dawit Garetscha.  Der Komplex bestand nicht mehr nur aus Höhlen, es wurde auch ordentlich gebaut. Doch im 10. Jahrhundert zerstörten die Seldschuken alles,  Dawit der Erneuerer ließ es wieder aufbauen, die Mongolen zerstörten es wieder, es wurde wieder aufgebaut, genau wie nach Timur Lenk, den Persern und den Türken. Bis zur Osternacht 1616 galt der Klosterkomplex trotz aller Zerstörungen als geistiges und künstlerisches Zentrum des Landes, die hier entwickelte Freskenmalerei beeinflusste ganz Georgien.  In jener Osternacht vor 400 Jahren aber ließ Schah Abbas 3000 Mönche niedermetzeln.  Zwar ließen sich danach immer wieder Mönche und Einsiedler dort nieder, um  den heiligen Ort wieder zu beleben, aber das gelang bis heute nie. Und in der Sowjetzeit gehörte die Anlage zu einem militärisches Sperrgebiet, indem sich die Truppen ab dem Ende der 1970er Jahre auf ihren Einsatz in Afghanistan vorbereiteten.  Doch gerade der Protest gegen die drohende Zerstörung der Klöster war der Anfang der georgischen Nationalbewegung.  Nach der Unabhängigkeit Georgiens zogen die Sowjets ab, Mitte der 1990er Jahre ließ sich hier der erste Einsiedler wieder nieder  und als die georgische Armee das Potential des dünn besiedelten Landstrichs erkannte, wehrte sich die Zivilbevölkerung  mit öffentlichen Protesten wie Sitzblockaden und erzwang den vorläufigen Abzug der Truppen. Heute leben wieder etwas über ein Dutzend Mönche  hier, es wird gewerkelt und restauriert, was das Zeug hält. Der Besucherstrom hält sich, wohl wegen der Lage, in Grenzen. Immerhin, auf dem Parkplatz stand ein Bus  von  „Biblische Reisen“ aus Deutschland, ansonsten mühten sich nur Einheimische oder ehemalige Einheimische, die heute in Russland oder wo leben, nach Lavra und Udabno.

Mit Sicherheit besichtigen wir Lavra. Einige Gebäude wurden bzw werden saniert und auch an den Höhlen wird gewerkelt. Ein Teil der Höhlen stammt noch aus der Zeit Dawits, in einer hat er im 6. Jahrhundert gelebt, andere wurden mit Fenstern und Türen versehen und sind wieder bewohnt.  Das Tor, durch das man die Anlage betritt, natürlich aus Stein, stammt aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.  Wir sehen uns alles an, was man sich ansehen darf, da das Kloster bewohnt ist, gibt es natürlich auch gesperrte Bereiche und kraxeln dann hoch zu den Höhlen, von denen wir glauben, dass sie zu Udabno gehören. Auch wenn ich mir da nicht mehr so sicher bin, von hier aus hat man einen phantastischen Blick auf das Kloster zu unseren Füßen und die Landschaft.

Es stellt sich heraus, dass auch Nika zum ersten Mal hier ist, was für ein Erlebnis auch für ihn. In einem kleinen Laden wecken wir einen Mönch aus seinem Nickerchen, weil wir ein paar Karten oder so kaufen wollen. Ich versuche einen Scherz, aber der Herr bleibt missmutig. Das ist mir schon oft aufgefallen. Außer in Bulgarien scheinen orthodoxe Mönche und Priester durchweg missmutig zu sein und im Übrigen nicht viel von Menschen zu halten, die keine Mönche oder Priester sind.

Auf selben Wege fahren wir zurück, doch die Jungs halten unterwegs an einer Bäckerei. Wir dürfen zugucken und fotografieren und das Brot ist heiß und lecker.

Zurück in Tbilissi regnet es wieder. Es scheint, als hätten wir genau den richtigen Tag für unseren Ausflug  gewählt. Buba und Nika setzen uns im Bäderviertel ab, denn heute endlich wollen wir in eins der Bäder. Die Freundin hat sich das bunte rausgesucht, das, das gerade frisch saniert wurde. Wir bestellen eine Doppelkabine mit Kaffee und Saft und Massage. Dann müssen wir eine Stunde warten, bis etwas frei wird (Reservieren kann man nicht). Aber warten ist nicht langweilig, es passiert genug im Bad. Also auf den Gängen.

Wir sind kaum in unserer Kabine, da kommen die Getränke und die Masseuse. Und die Massage ist schon ein Kunstwerk für sich. Gut, dass wir zu zweit sind, so das jede mal sieht, wie das geht. Leider kann ich Ihnen keine Fotos zeigen. Aber falls Sie mal nach Tbilissi kommen, gehen Sie in ein Bad und gönnen Sie sich eine Massage. Das dicke Männer auf ihnen sitzen und sie durchkneten, ist eine Lüge aus alten Prospekten.  Glauben Sie mir, die Behandlung ist äußerst angenehm.

Weil es immer  noch regnet, nehmen wir ins Hostel ein Taxi. Und sosehr uns Einheimische auch erzählt haben, wie viel das nur kosten darf, der Fahrer lässt sich nicht erweichen. Schließlich seien wir zu zweit und es regnet. Wir zahlen mehr als den dreifachen Preis.  Ist uns aber im Moment tatsächlich egal und von einem geldgierigen Taxifahrer wollen wir uns unser Wohlgefühl ganz sicher nicht verderben lassen und ja, auch der mehr als dreifache Preis ist letztlich nicht teuer.

blabla

 

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8 Antworten zu Salz Wasser Glauben. Und Brot (10. Oktober 2017)

  1. Vinni schreibt:

    Wunderbare Fotos wieder über eine sehr spannende Gegend! Vielen Dank fürs Mitnehmen! 🙂

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  2. Dirgis (Sigrid) schreibt:

    Spannende Bilder! Sie erinnern mich irgendwie an die Bilder meines Großvaters aus Bulgarien.
    Oder verwechsle ich da jetzt etwas?

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    • Inch schreibt:

      Ja, Sigrid, ich weiß ja nicht, was Dein Opa Dir für Bilder gezeugt hat :D, aber ich habe solche Landstriche in Bulgarien nicht gesehen, allerdings war ich nur am Meer, in Sofia und an der griechischen Grenze

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  3. freiedenkerin schreibt:

    Abenteuerlich, interessant und informativ – wie immer – ist dein Text und sind dein Bilder! Danke! 🙂

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  4. Zaphod schreibt:

    Die Landschaft ist wirklich arg karg *g*
    Sieht aus, als hätten da Jahrzehnte die Braunkohlebagger gewütet, aber dieses entzückende Steindorf entschädigt ja wohl für alles. Tolle Fotos.

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