Stein und Wein (12. Oktober 2017)

Wir sind soweit.

Wir sind Taxi gefahren, was ja einfach ist, und mit dem Zug, was schon eine kleine Herausforderung war, jedenfalls der Fahrkartenkauf. Nun wollen wir uns bewegen wie Einheimische. Nach Uplisziche nehmen wir die Marchrutka.

„Minibus“ korrigiert uns der Gastwirt. Die Mädchen, die wir gestern hier wieder getroffen haben, haben uns ein paar Tipps gegeben, vor allem hinsichtlich der überall auf der Lauer liegenden Taxifahrer. Allerdings, wie sollen wir lesen können, wohin die Marchrutkas fahren? Warum habe ich vor dem Urlaub nicht das Alphabet gelernt? Schwierig wird die Rückfahrt werden, denn da wollen wir uns absetzen lassen, um noch ein bisschen durch das Tal der Tana zu wandern. Es soll eines der geschichtsträchtigsten der Region sein. Ich will da unbedingt hin.

Unsere Wirtsleute schreiben uns ein Zettelchen für den Marchrutka- Fahrer, dann wackeln wir los Richtung Zentralsammelpunkt.

So. Wir konnten und können das nicht lesen und haben unseren Gastwirten einfach mal vertraut

Dort stehen nicht nur viele Minibusse rum, auf dem Platz ist auch Markt und natürlich heftet sich uns sofort ein Taxifahrer an die Fersen, der uns für nur 30 Lari zum Höhlenkomplex fahren will. Wo sollen Touristen sonst auch hin wollen? Aber nachdem wir zweimal verneint und betont haben, dass wir Marchrutka fahren wollen, hilft er uns, den richtigen Minibus zu finden. Wir zahlen je 1 Lari und steigen ein. Zusammen mit Leuten, die vom Markt heimfahren. Käufer und Verkäufer.

Uplisziche liegt nur 12 km von Gori entfernt. Die Höhlenstadt, so wird geschätzt, ist dreitausend Jahre alt. Allerdings haben Erdbeben und die Horden Timur Lenks einigen Schaden angerichtet, so dass die ältesten heute noch zu besichtigenden Höhlen aus dem 2. Jahrhundert sein sollen. An der Seidenstraße gelegen, lebten die Bewohner, es sollen in ihrer Blütezeit 20000 gewesen sein, vom Handel.  Und es gab hier alles, was zu einer Stadt gehört. Inklusive Gefängnis, Apotheke, Bäckerei und natürlich sehr viele Lagerhäuser.

Der Minibus hält in einem Dorf und der Fahrer bedeutet uns auszusteigen. Er zeigt in die Richtung, in der die Höhlenstadt liegt und wir überqueren den Mtkvari auf einer zum Glück stabilen Brücke, während uns die Reste der alten Hängebrücke das Fürchten lehren. Auf der Straße geht es ein ziemliches Stück, es ist warm, die Sonne scheint, links liegt der Fluss Kura, rechts ragen Felsen aus extrem weichen Sandstein in den Himmel. Wir sind guter Laune und in Urlaubsstimmung, fotografieren jede Feige und jeden Strauch, Felsen und Höhlen und dann, wenn wir uns an unsere Pläne für heute erinnern, laufen wir wieder zügigen Schritts weiter. Ungefähr 20m.

Trotzdem erreichen wir unser Ziel irgendwann. Und weil hier eine schöne Straße herführt, ist auch viel mehr los als in Dawit Garetscha.  Busse und PKW drängeln sich auf dem Parkplatz zwischen den Restaurants, Imbissbuden und fliegenden Händlern. Wir zahlen Eintritt (8 Lari, also ca 3€) und huschen hinein. Und dann laufen wir die Wege entlang, klettern in Felsen eingehauene Treppen hinauf und hinunter, finden, dass die ehemaligen Bewohner ganz schön trittsicher und sportlich gewesen sein müssen, schauen in große und kleine Höhlen, in Ein- Zimmer- Höhlen und solche mit Nebenzimmern, wundern uns über Löcher im Boden, denken, die sind zum Auffangen des Regenwassers, lesen dann, dass da aber irgendwas zubereitet wurde, was ich inzwischen wieder vergessen habe, erahnen die ehemals blaue Wandfarbe in einer Höhle der Oberstadt, staunen über in Stein gehauene Fliesen und Deckenbalken, stehen im Palast einer Königin Tamaris Dabarsi, schauen uns natürlich auch die aus dem 10. Jahrhundert stammende Fürstenkirche ganz oben an und hinunter ins ebenfalls verlassene Unterdorf direkt am Fluss, genießen den Blick in die Landschaft und schießen  natürlich hunderttausendmillionen Fotos, möglichst mit ohne Menschen drauf. Außer die Menschen heißen Inch oder Inchfreundin.

Die Höhlenstadt ist groß, beeindruckend und wahrscheinlich haben wir nicht alles gesehen. Aber nach 100 Höhlen ist auch mal gut. Über die Poterne, einen Fliehgang, der ehemals der Wasserversorgung der Stadt, die übrigens auch über eine Kanalisation verfügte, diente, steigen wir hinter einer von einem Mönch geführten Reisegruppe sehr alter Menschen wieder hinab. Die Freundin sieht sich noch im Souvenirshop um, während ich lieber im Schatten eines Baumes außerhalb der Anlagen rauche.

Hier erst mal die Fotos der Höhlenstadt und vom Markt. Zum groß gucken drauf klicken und dann weiterlesen.

In einem kleinen Imbiss mit lauschigem Freisitz trinken wir Kaffee und essen Nüsse, dann laufen wir zurück zu dem Dorf hinter der Brücke. Ich glaube, es heißt Kvakhvreli.

Hier müsste jetzt irgendwann eine Marchrutka Richtung Gori kommen. Na, statt hier dumm rumzustehen, können wir ja schon loslaufen und ein bisschen Dorf gucken.

Es dauert ein ganzes Stück, eh so ein Minibus kommt, wir halten dem Fahrer unseren Zettel vor die Nase, und er setzt uns an einer Abzweigung ab.

Nun geht’s wieder zu Fuß weiter. Die Tana- Schlucht ist 40 km lang, liegt im Trialetischen Gebirge und es soll hier an die 50 Kulturdenkmale geben. Diese sind aus dem 7.- 10. Jahrhundert, aber in diesem Tal wurden die ältesten Spuren georgischer Geschichte gefunden bzw. derer, die vor den Georgiern hier siedelten.

Wir können natürlich keine 40 km laufen, dazu fehlt uns die Zeit und 40 km sind auch ganz schön viel. Aber ein bisschen und wenigstens bis Sioni Ateni wäre schon schön. Aber das sind auch mindestens 8 km. Wir sollten trampen, Freundin. Oder eine Marchrutka anhalten. Und wir müssen aufpassen, dass wir nicht vom Weg abkommen. Also nicht, dass man sich verlaufen könnte. Aber guckt man sich zu lange das Treiben der Dorfbevölkerung an, droht die Gefahr einer Einladung. Schon kurz nach dem Abzweig schauen wir zu lange in einen Hof, als der Älteste sich in unsere Richtung in Bewegung setzt und uns zuwinkt, winken wir zurück und sputen uns, weg zu kommen.

Hierher verirren sich eindeutig keine Touristen.

Ein alter Mann nimmt uns in seinem Pick Up mit bis Patara Ateni. Hier wird gerade die Straße aufgebuddelt. Nach Beendigung der Bauarbeiten sind die Anwohner offenbar verpflichtet, die Löcher wieder zu beseitigen.  Und was sind denn das für seltsame Leitern? Ist hinter der Mauer ein Swimmingpool? Aber warum sollten die Leute von der Straße aus da einsteigen? Und hier sind auch welche auf Rädern. Das Tal ist grün, die Freundin nascht Feigen, der Wein ist reif und die Granatäpfel auch. Ah, die Leitern sind für die Weinernte. Die Trauben hängen über der Straße. Wie ein Spalier sieht das aus. Die Leitern aber sehen wacklig aus.  Allesamt. Als wir einem Mann zu lange zuschauen, winkt er uns heran, drückt uns jedem eine Traube in die Hand und wir ziehen weiter.

Dann kommt eine Marchrutka und nimmt uns mit bis zum Kloster Sioni Atari. Das stammt aus dem 7. Jahrhundert und sein Name Sioni bezieht sich auf den Berg Zion in Jerusalem. Die Kirche ist das berühmteste Bauwerk in Tana- Tal und eine fast original getreue Kopie der Dshwari- Kirche von Mzcheta, der alten Hauptstadt Georgiens, die wir später noch besuchen werden.

Die Mönche sind bei der Wallnussernte, möchten nicht fotografiert werden, sind mürrisch wie schon gewohnt und das Kloster darf natürlich auch nicht fotografiert werden. Es gibt einen kleinen Laden, wo selbst gemachter Honig und so verkauft wird. Wir würden gern kaufen, aber hier lässt sich nicht einmal ein mürrischer Mönch sehen. Obwohl die uns argwöhnisch beäugen und wir uns wirklich lange die Nasen breit drücken, es kommt keiner uns Heiden was zu verkaufen. Und weil die Kirche gerade saniert wird, versperren Baugerüste den Blick auf die Wandmalereien, für die die Kirche eigentlich berühmt ist.

Das Tal selber ist sehr schön. Und wir erahnen, dass es dahinten noch viel schöner weitergeht. Aber die Zeit drängt, wir laufen zurück. Wir wollen laufen bis es dunkel wird und dann auf den kleinen Bus warten, der so gegen 18:30 das letzte Mal nach Gori fährt.

Es ist wie immer, die Wohnhäuser sind in bedauernswertem Zustand, die Kirchen und Klöster werden gerade saniert. Oder sind es schon. Dafür sind die Menschen extrem freundlich. Irgendwann drückt uns eine Frau soviel Trauben in die Hand, extra mit Zeitungspapier, dass ich nun nicht mehr fotografieren kann. Zum Glück hat die Freundin einen Beutel im Rucksack. Wandern wir eben mit Einkaufsbeutel weiter.  In einem kleinen Laden in Didi Ateni kaufen wir ein paar Riegel, von den Trauben kriegt man ja bestenfalls einen Vitaminschock, sie füllen auch den Magen, aber wer wandert, muss richtig essen, und seien es Riegel.

Didi Ateni, heute eine Weinbausiedlung, war früher eine Stadt und wurde in den Georgischen Chroniken erstmals im 9. Jahrhundert  erwähnt. Eine Stadt, in der  Georgier, Juden und Armenier  lebten. Links, etwas erhöht, sehen wir noch die Ruinen der einstigen Festung. Rechts, etwas unterhalb der Hauptstraße, lenkt ein sanierter Klosterkomplex unsere Aufmerksamkeit auf sich.

Als die Dämmerung einsetzt, setzen wir uns in Patara Ateni  auf eine Bank vor einen Hof, da kommt  „unser“ Bus, aber Richtung Kloster. Der Fahrer jedoch besteht darauf, dass wir einsteigen, er hat wohl Angst um die Mädchen, so fahren wir  noch einmal zu den mürrischen Mönchen, wenden und lassen uns in Gori am Bahnhof absetzen.

Für morgen brauchen wir Zugfahrkarten, aber anders als in Tbilissi muss man die hier nicht vorher kaufen sondern bitteschön erst morgen.

Weil wir viel zu viele Trauben haben, schenken wir die unseren Wirtsleuten und gehen dann in das von ihnen empfohlene „sehr gute“ Restaurant in der Stalinallee. Das Essen ist gut, ok, aber die Bedienung … russisch. Sehr viel Personal, wenig Service. Und als das Personal  sich die Langeweile mit ohrenbetäubend lauter Popmusik vertreiben will, müssen wir doch bitten.

Wir sitzen da und denken wieder mal, wir seien schon mindestens 3 Wochen in Georgien.  Hier passiert einfach zu viel an einem Tag. Das reicht in anderen Urlauben für drei.

Und hier die Fotos vom 2. Teil des Tages. Ich hoffe, der Trick mit den zwei Galerien täuscht über die viel zu vielen Bilder hinweg. Wie immer gilt: Drauf klicken = groß gucken

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3 Antworten zu Stein und Wein (12. Oktober 2017)

  1. freiedenkerin schreibt:

    Das sieht dort teilweise so aus, als würden sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen… Beim Betrachten deiner Bilder kommt mir oft in den Sinn, dass wir hier schon auf einem sehr hohen Niveau jammern…

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  2. Zaphod schreibt:

    Das ist ein Mönch? Der mit der Jogginghose? o0
    Nach Deinen Erzählungen habe ich mir immer griesgrämige alte Männer in Kutten vorgestellt, scheint aber auch griesgrämige junge Männer zu geben. Kein Wunder, müsste ich wie’n Mönch leben wär ich auch 24h griesgrämig.
    Die sollten mal bissl Rauchkraut anpflanzen, das entspannt vielleicht.

    Übrigens: Bilder aus Gegenden in die Mensch kaum jemals hinkommen wird können nie zu viel sein 😉

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    • Inch schreibt:

      Der auf der Leiter bei der Wallnussernte? Ja. Und der war stocksauer, dass ich ihn fotografiert habe. Aber woher bitteschön sollte ich wissen, dass der ein Mönch ist? Der Baum stand ja auch vor der Kirche. Ich glaube auch, dass Rauchkraut denen gut täte. Oder einfach mal bei bulgarischen Mönchen eine Umschulung machen. Die sind ganz entzückend nett. Die sind so nett ( und gutaussehend), dass man als Frau immer denkt: Was für eine Verschwendung. ggg

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