Ein Bahnhof am Rande (des Universums) Belgrads (02.10.2019)

Ich fahre also weiter nach Belgrad, der Hauptstadt Serbiens, und raus aus der EU.

Und obwohl Kroatien und Slowenien EU-Mitgliedsstaaten sind, sind die Grenzkontrollen abartig. Das erinnert mich stark an Ostblockzeiten. Und dann erst die Grenze zu Serbien.

Ich bin entnervt.

9,5 Stunden dauert die Fahrt Ljubljana- Belgrad auf diese Weise. Aber besonders schlimm ist, dass an den Grenzen die Türen geschlossen bleiben müssen. Es ist stickig im Zug und warm.

An anderen Stationen springen die Raucher zu den Türen, öffnen diese und rauchen. Auf die Art und Weise kommt auch Frischluft in den Wagon.

In Sid, das ist der serbische Grenzort, wird eine Gruppe Geflüchteter zum Zug eskortiert und fährt ein paar Stationen im Nachbarwagon mit.

Im Bahnhof Neu- Belgrad lagren sicher zwei Dutzend Gestrandeter allein auf unserem Bahnsteig.

Und dann die Endhaltestelle.Belgrad Centar

Äh.

Der Bahnhof ist unter der Erde. Und sehr überschaubar. 9 Gleise. Und ein Ausgang. Dem folgen ein junges Pärchen, dass nach Montenegro will, und ich erst mal…

… und stehen in the middle of nowhere.

Eine Straße. Taxifahrer. Eine Bushaltestelle. In weiter Ferne die Lichter der Stadt (es ist abends und dunkel)

Wohin fährt der Bus?

Egal. Wir gehen erst mal wieder runter in den Kellerbahnhof und kaufen Fahrkarten. Oder versuchen es. Also ich.

Dazu muss man erstmal einen Fahrkartenschalter suchen. Es gibt einen. Aber da gibt es nur nationale Fahrkarten. Internationale gibt es in einer Art Büro. Das ist klein und ich zwänge mich mit meinem Rucksack zwischen zwei Schreibtische. Das Pärchen passt nun nicht mehr ins Office.

Einmal Skopje bitte

Da fährt kein Zug, antwortet dir Frau träge.

Ich bin verwirrt. Das habe ich doch im Internet gelesen. Mein Blick fällt auf den Fahrplan neben mir. Von Belgrad Centar fahren nicht ganz 20 Züge täglich ab. Einer davon nach Skopje. Verwirrt zeige ich auf den Fahrplan.

Nur bis September, mault die Frau entnervt.

Ich lasse nicht locker. Und wie komme ich nach Skopje? Achselzucken.

Ich gebe nicht auf Gibt es einen Bus nach Skopje? Achselzucken.

Ok, war vielleicht dumm, jemanden der serbischen Staatsbahn nach einem Bus zu fragen. Also noch ein Versuch: Und wenn ich bis Nis fahre (am Fahrplan habe ich gesehen, es gibt einen Zug nach Nis, einer Stadt an der mazedonischen Grenze), gibt’s dort vielleicht einen Zug nach Skopje? Achselzucken.

Jetzt wird es dem Kollegen der Dame zu viel. Bahnangestellte auf Kompetenz testen, das geht nun wirklich zu weit. Er schiebt mich kurzerhand aus dem Büro.

Das Pärchen tritt ein, also nur eine Hälfte des Pärchens, und ersteht seine Tickets nach Montenegro.

Ich bin immer noch verwirrt. Ich muss jetzt ganz schnell umdisponieren. Wohin kann man mit dem Zug fahren und wo will ich hin?

Fahr doch nach Bar, rät mir das Pärchen.

Liegt Bar am Meer?

Ja.

Na gut, fahre ich eben nach Bar. Entschlossen trete ich wieder ins Büro und kaufe eine Fahrkarte für den Nachtzug nach Bar. Der nun wieder fährt ab Topcider. Aber bis morgen Abned werde ich schon rausfinden, wie ich dahin komme.

Ich tauche aus der Unterwelt aus und nehme, was ich sonst nie tue, ein Taxi. Aber nachts auf einer Art Bundesstraße nach Belgrad laufen, dazu habe ich nun wirklich keine Lust. Und obwohl ich gerade Dinar am Kohlekasten gezogen habe, will der Taxifahrer Euro. 20.

Dafür klärt mich der Taxifahrer über die Flüchtlingspolitik Deutschlands auf. Als ich eine Fehlinformation aufzuklären versuche, unterbricht mich der Taxifahrer mit den Worten, dass er einen Kumpel in Stuttgart habe, und der habe ihm alles erzählt. Er, der Taxifahrer, wisse also Bescheid. Ok, das macht keinen Sinn. Ich lasse ihn brabbeln. Ist natürlich Mist, dass Länder wie Serbien, Montenegro oder Bosnien und Herzegowina, darunter „leiden“ müssen, dass die EU sich abschottet und die Grenzen dicht macht. Aber statt auf Ungarns Grenzzaun und Kroatiens Push Backs sauer zu sein, sind die Leute sauer auf die Geflüchteten. Das ist wie immer. Das ist Bildersturm. Ich denke die ganze Zeit, aber als Ihr Euch in Jugoslawien die Rüben eingehauen habt, durften die, die das Scheiße fanden, doch auch u.a. nach Deutschland. Aber ich sage nichts. Ich bin im Urlaub.

Mein Hotel ist ein Schiff auf der Donau. Es ist immer noch T-Shirt- Wetter und die Belgrader flanieren die Uferpromenade entlang. Ich bin eigentlich hundemüde, aber so einen lauen Abend sollte frau nicht im Bett verbringen. Ich checke ein und flaniere ebenfalls. Und drei Schiffe weiter esse ich. Draußen. Mit Blick auf die Burg.

Bilder gibt’s wieder keine. Ich war ja im Zug. Und mit analogen Kameras macht man keine Zwölfhundert Fotos. Ich hoffe, mein Bericht gefällt Ihnen trotzdem. Und morgen gibt’s auch paar Bilder. Versprochen

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9 Antworten zu Ein Bahnhof am Rande (des Universums) Belgrads (02.10.2019)

  1. wildgans schreibt:

    Klingt ein bisschen nach Problemreisen, ist wohl teilweise so gewollt.Ich bin ein faules Luder, sehr innerhäusig, lese aber sehr gerne hier mit!! Bin gespannt auf Fotos!
    Gruß von Sonja

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  2. Herr Ärmel schreibt:

    …und wie mir Dein Bericht gefällt. Tagsüber mit dem Zug von Beograd nach Bar…. Und die montenegrinische, die spektakulärste Etappe Europas… Ich bin gespannt und wünsche eine gute Nacht

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  3. konfetti schreibt:

    Seeehr gerne gelesen und sehr gespannt auf die Fortsetzung!

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  4. Zaphod schreibt:

    Endlich wieder Abenteuerreisen, wie hab ich das vermisst 🙂
    So einen Stress kann man sich ja auch nur alleine antun, ich latsche inzwischen lieber auf den ausgetrampelten Pfaden die ich schon kenne und zeige meinen Kindern und Enkeln die Orte die ich liebe. Klappt wunderbar und jetzt muss ich nächstes Jahr schon wieder nach Portugal *g*

    Belgrader Bahnhöfe und andere seltsame Orte finde ich ja nach wie vor hier *g*

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    • Inch schreibt:

      Ich habe gerade eine Doku über Lissabon gesehen. Da hätte ich wohl doch auch mal hinfahren sollen. Bevor da die Wohnungen über airbnb an Touristen vermietet werden.. Aber es muss ja vielleicht nicht ausgerechnet Lissabon sein

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