Vor 6 Monaten kam K. aus Syrien nach Deutschland. Irgendwo unterwegs verlor er seinen Bruder. So landete dieser in Hessen, K. in Sachsen. In einer Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig.
K. war mein Schüler. Und wenn ich nicht im Camp war, lernte er bei einem der anderen ehrenamtlichen LehrerInnen.
Irgendwann bekam er bei der Spendenausgabe eine Winterjacke. Bunt und sehr auffallend.
As er in eine kommunale Einrichtung transferiert wurde und ich mich mit den anderen LehrerInnen über ihn unterhielt und denen sein Name nicht einfiel, kam irgendwann: Ah! Der Junge mit der hübschen Jacke!
Der Junge ist 23 Jahre alt und landete in einem Nest kurz vor Polen. Nicht gerade die angenehmste Gegend für Flüchtlinge. Manchmal besuchte er den Mitbewohner und mich in Leipzig. Trotzdem, irgendwann fand er Kontakt zu Gutmenschen kurz vor Polen und er fand sogar so eine Art Freund.
Deutsch lernte er natürlich auch. In dem Nest gabs ja auch sonst nicht viel Ablenkung. Leider auch kaum die Möglichkeit, das Gelernte an Einheimischen auszuprobieren.
Vor 2 Wochen erhielt er seine Aufenthaltserlaubnis und sofort dachte er darüber nach, das Kaff zu verlassen.
Nach Leipzig, wo es so schön war? Nach Magdeburg, wo ein Cousin wohnt? Oder doch nach Frankfurt Richtung Bruder? Aber beide, Cousin und Bruder hocken da noch in Gemeinschaftsunterkünften.
Also Leipzig.
Und weil der Mitbewohner gerade ausgezogen war, bezog er also dessen Zimmer. Nur bis er eine Wohnung gefunden hat. Oder noch besser: ein WG-Zimmer. Eine WG mit Deutschen, das wäre fein.
Aber zunächst galt es, Ämter aufzusuchen.
Freitag Jobcenter. Schließlich muss das Jobcenter jedem Mietvertrag zustimmen.
Doch im Jobcenter wird er erst registriert, wenn er in Leipzig gemeldet ist.
????
Ohne Wohnung?
Wir schlurften sofort zum Bürgeramt und nach nur einer Stunde saßen wir vor der gestrengen Amtsinhaberin. Ok, sie war wirklich nett. Aber nicht sehr hilfreich.
Ich erklärte: K. möchte sich im Jobcenter melden, dazu braucht er eine Meldeadresse. Ich bin einverstanden, dass er bei mir wohnt bis er Geld vom Jobcenter kriegt und eine Wohnung/Zimmer mieten darf. Doch bei mir bitte ohne Mietvertrag. Ist ja nicht für ewig.
Die nette Frau schob uns ein Formular über den Tisch: Sie brauchen hier die Unterschrift Ihres Vermieters.
Auch ohne Mietvertrag?
Auch ohne Mietvertrag. Und wenn er sich ein WG-Zimmer sucht, muss der Vermieter auch zustimmen.
Ja klar, mit dem schließt er ja den Vertrag ab.
Ja, aber er braucht auch diese Einverständniserklärung. Trotzdem.
Wochenende. Freunde treffen. Noch mehr Freunde treffen. Das Problem hin und her wälzen.
Die Hilfe kam schließlich von einem anderen Syrer: Geht auf dieses Bürgeramt. Die sind lockerer.
Und wirklich. Seit heute Morgen 10:00 Uhr ist K. in L.E. polizeilich gemeldet.
Gerade ist er in eine WG und stellt sich vor und ist ziemlich aufgeregt.
Morgen hat er eine Einladung in eine andere WG. Aber vorher muss er noch ins Jobcenter und sich dort anmelden.
Ach ja, das gestrenge Fräulein vom Amt. Fast möchte man ihr wünschen, sie möge mal in die gleiche Situation kommen wie der Junge mit der hübschen Jacke…
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Schön das es im Dschungel der Behörden auch mal Leute mit praktischen Ansätzen und Lösungen gibt. Das freut mich für den Jungen mit der schönen Jacke und alle anderen die auf solche treffen dürfen.
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Das kannst Du laut sagen. Wenn ich hier endlich mal Zeit habe, schreibe ich einen weiteren Blog. Denn wir mussten noch auf sehr viele Ämter…
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Kann ich mir denken. In diesem Land lieben wir Hürden in Form von Ämtern und Formularen.
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Pingback: Was wir von den Neubürgern lernen kennen | Inchs Blog Nr. 2
Ich hätt gern mal ein Foto von der hübschen Jacke gesehen *g*
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Leider gibt es die hübsche Jacke nicht mehr. Er hat sich schon im Dezember Geld gespart, ein schwarze gekauft und die hübsche an einen Bedürftigen verschenkt
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